Sonntag, 15. Juli 2012

My home is my Castle

Mit freundlicher Genehmigung von © ligeia:

Es kotzt mich manchmal nur noch an. Wenn ich mit meinem Partner auf eine SM-Party gehe, habe ich mittlerweile oft das Gefühl, in das BDSM-Äquivalent eines Rudelbumses geraten zu sein. Viele meiner „NeigungskollegInnen“ wirken auf mich, als würden Sie da eine Mischung aus Gesellschaftsspiel und Inszenierung betreiben, darauf ausgelegt, auf die gaffende Zuschauerhorde besonders dominant, devot, einfallsreich, brutal, masochistisch oder sonst wie toll zu wirken.

Das fängt damit an, dass die Damen und Herren in Einheitskluft aufmarschieren; die Herren in Anzug oder Lederhose, die Damen in Rock und Korsett oder nackt, gelegentlich wählt noch eine den unglaublich individuellen Mittelweg eines O-Kleides. Rein visuell für mich also ein langweiliger Einheitsbrei.

Dann wird auf die Wangen gebusselt und „Hallihallo“ geflötet. Man stößt mit einem Sektchen an und berichtet von den neuesten Errungenschaften, die sich irgendwo zwischen Rosshaarpeitsche und Excel-Strafbuch bewegen. Anschließend rottet man sich zusammen, um das kalte Buffet zu schlachten, dabei nicht müde werdend, die Kochkunst des Veranstalters in den siebten Himmel zu loben, auch wenn es nur Frikadellen und Fertigsalate vom Billigdiscounter kredenzt wurden.

Der Mund ist noch nicht ganz leer gekaut, da wird schon über die Spielgeräte hergefallen, wie eine Heimsuchung durch Heuschrecken, Sodann werden die submissiven Partner, meist unter Abnudelung persönlicher Rituale, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen, an Andreaskreuz, Strafbock und Co geschnallt und die Dominanzen spulen das gute alte Hau-Drauf-Programm ab. Erst kommt der Flogger zum Aufwärmen, damit auch die Anwesenden SSC-Berater nichts zu mosern haben. Dann ist das Paddle dran, dann die Gerte und wer es besonders drauf hat, greift zum krönenden Abschluss noch zur Bullwhip.

Die menschlichen Konstellationen werden dabei oft durcheinander gewürfelt, man bindet Subs über-, unter- oder aneinander oder rottet sich auf dömlicher Seite zusammen. Letztlich aber wirkt es auf mich aber nur noch wahllos.

Aus den Räumlichkeiten dringt nun eine Mischung aus „Klatsch“, „Knall“ und „Kreisch“, die im BDSM-Bereich die klassischen „3K“ (Küche, Kinder, Kirche) von der Wichtigkeit her restlos abgelöst zu haben scheinen. Unabhängig von Ort und Zeit ist diese Playroomgeräuschsuppe immer gleich und hindert mich mittlerweile daran, einfach mal durch die Location zu schlendern, weil ich all das nicht mehr hören und sehen mag. Außerdem stehen im Normalfall sabbernde und geifernde Gaffer Spalier, die mich auf dem Absatz kehrt machen lassen und ganz sicher jede Lust in mir töten, selbst dort zu spielen.

Ich meine mich zu erinnern, dass Spielpartys früher irgendwie intimer und dass auch individuellere Spielarten möglich waren. Vielleicht verkläre ich ja im Rückblick, aber das ändert nichts an meiner jetzigen Reaktion: SM? Ja, gern, mein Liebster, aber bitte, bitte zuhause!

Das bedeutet nicht, dass ich keinen Kontakt mehr zu anderen SMern haben möchte. Ganz im Gegenteil, ich freue mich immer, Bekannte und liebe Freunde zu treffen – aber am liebsten halt „ganz stinknormal“. Deshalb laden wir uns die Leutchen zum Essen ein, man trifft sich alternativ auf Märkten oder irgendwo zum Kaffee und auch wenn man gerne mal über Praktiken, Partys oder lustige Unfälle klönt, so bleibt man doch vollständig (und ganz normal) bekleidet.

Für mich kombiniert das zwei unschätzbare Vorteile: Weil es BDSMer sind, kann man sich auch über BDSM unterhalten und wir brauchen den D/S-Aspekt unserer Beziehung nicht zu verschleiern. Gegenüber einer Playparty haben private Treffen für mich zudem den Vorzug, dass ich normalerweise gar nicht erst in Situationen komme, in denen BDSM-Praktiken anderer auf mich lächerlich oder gar widerlich wirken. Und das alles bei guter Musik, im gemütlichen Wohnzimmer und mit dem großen Zusatzspaß, schön kochen und die lieben Freunde sowie den eigenen Gaumen verwöhnen zu können.

Wenn es dann zum „Spiel“ kommt, ist es mir eigentlich am liebsten, wenn mein Partner und ich allein sind. Gelegentlich ist es okay, wenn gute Freunde an der Szenerie teilhaben, aber die sind dann handverlesen und die Regeln des Umgangs miteinander geklärt. In solchen Situationen kann ich mich fallen lassen, nichts lenkt mich ab und ich fühle mich gut aufgehoben. Das ist mir wichtig, wenn mein Liebster mich dabei einmal mehr zu kleinen Scherben zerbröselt und über meine Grenzen treibt; ohne diese geborgene Situation kann ich nicht loslassen. Auch hier bietet sich die eigene Wohnung förmlich an.

Das alles soll nicht bedeuten, dass Partys grundsätzlich schlecht sind. Sie bieten einige nicht zu verachtende Vorteile: Man lernt Menschen kennen, kann Spielgeräte nutzen, die nicht im eigenen Wohnzimmer stehen und man muss die Lautstärke der eigenen Schreie nicht an die Stärke der Zimmerwände und –decken anpassen. Auch ist es für Menschen, die vielleicht exhibitionistischer veranlagt sind als ich, bestimmt wunderbar, sich unter Gleichgesinnten ausleben zu können.

Für mich aber ziehe ich das Fazit, dass beim Wettlauf um meine Abende immer öfter das Zuhause den Sieg davonträgt und nicht eine Location.

Vielleicht ändert sich das irgendwann wieder, aber im Augenblick reicht es mir, alle Jubeljahre auf eine Party zu gehen und ansonsten die Freizeit mit meinem Partner und guten Freunden in trauter, langweiliger Beschaulichkeit zu verbringen. Wer weiß – vielleicht werde ich einfach nur alt.


© ligeia