Freitag, 2. Mai 2008

Die gegeißelte Psyche


Die gegeißelte Psyche

Wo von alter Schönheit Trümmern
Marmorhell die Säle schimmern,
Windet blass und lieblich eine
Psyche sich im Marmelsteine.
Unsichtbarem Geisselhiebe
Beugt sie sich in Qual und Liebe,
Auf den zarten Knien liegend,
Enge sich zusammenschmiegend.
Flehend halb und halb geduldig
Trägt sie Schmach und weiss sich schuldig,
Ihre Schmerzensblicke fragen:
Liebst du mich? und kannst mich schlagen?
Soll dich der Olymp begrüssen,
Arme Psyche, musst du büssen!
Eros, der dich sucht und peinigt,
Will dich selig und gereinigt.

von Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

Cupid and Psyche, John Tobias Sergel


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